Frage-Nr.: 96978
Frage:
Wurde das Begehen einer Sünde vorher von Allāh festgeschrieben und vorherbestimmt? Wenn die Antwort ja ist, warum bestimmt Allah dann für einige Sünden zu begehen und für andere gute Taten zu tun, während wir doch alle Menschen sind?
Antwort:
Gepriesen sei Allāh.
Man muss an zwei Dinge glauben:
1 – Dass Allāh, Erhaben ist Er, der Schöpfer aller Dinge ist und dass nichts im Universum geschieht außer durch Seinen Willen. Er weiß was kommen wird und Er hat all das bestimmt und in ein Buch geschrieben, fünfzigtausend Jahre bevor Er die Himmel und die Erde erschuf, wie es in einer authentischen (ṣaḥīḥ) Überlieferung von unserem Propheten, Allah segne ihn und gebe ihm Heil, berichtet wurde. Er ist gerecht und tut niemandem auch nur im geringsten Unrecht, denn Er ist unabhängig von Seiner Schöpfung und hat sie nicht nötig. Er ist ihnen wohlgesonnen und gnädig zu ihnen, wie könnte Er ihnen also Unrecht tun?
Dieses Prinzip wird durch viele Beweise im Qurʾān und in der Sunna gestützt, wie z.B. die Āyāt (Verse) in denen Allāh sagt:
إِنَّا كُلَّ شَىْءٍ خَلَقْنَـٰهُ بِقَدَرٍ (٤٩)
ʾinnā kulla šayʾin ḫalaqnāhu bi-qadarin (49)
„Wahrlich, Wir haben alle Dinge mit Qadar erschaffen (göttliche Vorbestimmung aller Dinge vor ihrer Erschaffung, wie es im Buch der Dekrete ‚al-Lawḥ al-Maḥfūẓ‘ steht). (49)“
[Der Mond (al-Qamar) 54:49]
مَآ أَصَابَ مِن مُّصِيبَةٍ فِى ٱلْأَرْضِ وَلَا فِىٓ أَنفُسِكُمْ إِلَّا فِى كِتَـٰبٍ مِّن قَبْلِ أَن نَّبْرَأَهَآۚ إِنَّ ذَٲلِكَ عَلَى ٱللَّهِ يَسِيرٌ (٢٢)
mā ʾaṣāba min muṣībatin fĭ l-ʾarḍi wa-lā fī ʾanfusikum ʾillā fī kitābin min qabli ʾan nabraʾahā ʾinna ḏālika ʿală llāhi yasīrun (22)
„Kein Unglück ereignet sich auf der Erde oder bei euch das nicht bereits im Buch der Bestimmungen (al-Lawḥ al-Maḥfūẓ) niedergeschrieben ist, bevor Wir es ins Dasein rufen. Wahrlich, das ist leicht für Allāh. (22)“
[Das Eisen (al-Ḥadīd) 57:22]
Und der Prophet, Allah segne ihn und gebe ihm Heil, sagte:
„Allāh hat die Schöpfungsbestimmungen fünfzigtausend Jahre vor der Erschaffung der Himmel und der Erde beschlossen. Er sagte: ‚Und Sein Thron ist über dem Wasser.‘“
[Überliefert bei Muslim 2653]
2 – Der Mensch hat einen freien Willen und eine freie Wahl durch die er einige Dinge tut und andere unterlässt, durch die er glaubt oder ungläubig ist, durch die er gehorcht oder ungehorsam ist, wofür er zur Rechenschaft gezogen und belohnt oder bestraft werden wird, obwohl Allāh weiß was er tun wird, was er wählen wird und was sein endgültiges Schicksal sein wird. Aber Allah zwingt ihn nicht Böses zu tun oder Kufr (Unglauben) zu wählen, sondern Er zeigt ihm deutlich den Weg und Er hat Gesandte gesandt und Bücher herabgesandt und ihm den rechten Weg gezeigt. Wer in die Irre geht, tut dies zu seinem eigenen Schaden.
Allāh sagt:
وَقُلِ ٱلْحَقُّ مِن رَّبِّكُمْۖ فَمَن شَآءَ فَلْيُؤْمِن وَمَن شَآءَ فَلْيَكْفُرْۚ إِنَّآ أَعْتَدْنَا لِلظَّـٰلِمِينَ نَارًا أَحَاطَ بِهِمْ سُرَادِقُهَاۚ وَإِن يَسْتَغِيثُواْ يُغَاثُواْ بِمَآءٍ كَٱلْمُهْلِ يَشْوِى ٱلْوُجُوهَۚ بِئْسَ ٱلشَّرَابُ وَسَآءَتْ مُرْتَفَقًا (٢٩)
wa-quli l-ḥaqqu min rabbikum fa-man šāʾa fa-l-yuʾmin wa-man šāʾa fa-l-yakfur … (29)
„Und sag: (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll ungläubig sein. … (29)“
[Die Höhle (al-Kahf) 18:29]
إِنَّا هَدَيْنَـٰهُ ٱلسَّبِيلَ إِمَّا شَاكِرًا وَإِمَّا كَفُورًا (٣)
ʾinnā hadaynāhu s-sabīla ʾimmā šākiran wa-ʾimmā kafūran (3)
„Wir haben ihn ja den (rechten) Weg geleitet, ob er nun dankbar oder undankbar sein mag. (3)“
[Der Mensch (al-Insān) 76:3]
فَمَن يَعْمَلْ مِثْقَالَ ذَرَّةٍ خَيْرًا يَرَهُۥ (٧) وَمَن يَعْمَلْ مِثْقَالَ ذَرَّةٍ شَرًّا يَرَهُۥ (٨)
fa-man yaʿmal miṯqāla ḏarratin ḫayran yarahū (7) wa-man yaʿmal miṯqāla ḏarratin šarran yarahū (8)
„Wer also Gutes tut, das dem Gewicht eines Atoms (oder einer kleinen Ameise) entspricht, wird es sehen. (7) Und wer Böses tut, das dem Gewicht eines Atoms (oder einer kleinen Ameise) entspricht, soll es sehen. (8)“
[Das Beben (az-Zalzala) 99:7-8]
… وَنُودُوٓاْ أَن تِلْكُمُ ٱلْجَنَّةُ أُورِثْتُمُوهَا بِمَا كُنتُمْ تَعْمَلُونَ (٤٣)
… wa-nūdū ʾan tilkumu l-ǧannatu ʾūriṯtumūhā bi-mā kuntum taʿmalūna (43)
„… Und es wird ihnen zugerufen: ‚Siehe, das ist der (Paradies)garten. Er ist euch zum Erbe gegeben worden für das, was ihr zu tun pflegtet.‘ (43)“
[Die Anhöhen (al-Aʿrāf) 7:43]
فَذُوقُواْ بِمَا نَسِيتُمْ لِقَآءَ يَوْمِكُمْ هَـٰذَآ إِنَّا نَسِينَـٰكُمْۖ وَذُوقُواْ عَذَابَ ٱلْخُلْدِ بِمَا كُنتُمْ تَعْمَلُونَ (١٤)
fa-ḏūqū bi-mā nasītum liqāʾa yawmikum hāḏā ʾinnā nasīnākum wa-ḏūqū ʿaḏāba l-ḫuldi bi-mā kuntum taʿmalūna (14)
„So kostet (es) dafür, dass ihr die Begegnung mit diesem eurem Tag vergessen habt. Gewiss, Wir haben euch (auch) vergessen´. Kostet die ewige Strafe für das, was ihr zu tun pflegtet. (14)“
[Die Niederwerfung (as-Saǧda) 32:14]
Allah sagt uns, dass wenn der Mensch glaubt und aus eigener Wahl und freiem Willen rechtschaffene Taten vollbringt, er dann ins Paradies kommt oder wenn er ungläubig ist und aus eigener Wahl und freiem Willen böse Taten vollbringt, er dann in die Hölle kommt.
Jeder Mensch weiß im innersten seines Herzen und wenn er die Menschen um sich herum betrachtet, dass unsere Taten – sowohl gute als auch böse, gehorsame und sündige – durch unsere eigene Wahl geschehen und wir haben nicht das Gefühl, dass es irgendeine Kraft gibt die uns zwingt, sie zu tun. Man kann fluchen, beschimpfen, lügen und verleumden, genauso wie man Allāh loben, Ihn verherrlichen, um Vergebung beten, die Wahrheit sagen und aufrichtige Ratschläge geben kann. Man kann zu Orten der müßigen Unterhaltung, der Falschheit und des Bösen gehen, genauso wie man zu den Moscheen oder Orten der Güte und des Gehorsams gehen kann. Ein Mensch kann mit seinen Händen zuschlagen, er kann stehlen, Falschheit sprechen und betrügen oder er kann mit seinen Händen den Bedürftigen helfen, Gutes tun und Gefallen erweisen. Jeder tut einige dieser Taten und er fühlt sich nicht bedrängt oder gezwungen, sondern er tut sie aus freiem Willen und dann wird er für sie zur Rechenschaft gezogen werden; wenn sie gut waren, dann werden die Folgen gut sein und wenn sie schlecht waren, dann werden die Folgen schlecht sein.
Was Allah bestimmt hat ist etwas, wovon der Mensch kein Wissen besitzt und er kann seine Taten nicht darauf gründen oder es als Entschuldigung benutzen. Es ist auch nicht gültig für ihn seinem Herrn zu widersprechen, indem er in Frage stellt warum Er jemanden unter den Verdammten oder den Gesegneten hat sein lassen. Allah hat demjenigen der verdammt ist kein Unrecht getan, sondern Er gab ihm Zeit und Fähigkeit und Entscheidungsfreiheit und Er sandte ihm Gesandte und offenbarte ihnen Bücher und Er erinnerte ihn und warnte ihn mit allen Arten von Mahnungen, wie missliche Lagen und Prüfungen, damit er zu Ihm bereut und sich Ihm zuwendet. Wenn er den Weg der Irreführung wählte und dem Weg der Verbrecher folgte, schadete er nur sich selbst, und er ist derjenige der seinen eigenen Untergang verursacht hat, wie Allāh sagt:
قَدْ أَفْلَحَ مَن زَكَّـٰهَا (٩) وَقَدْ خَابَ مَن دَسَّـٰهَا (١٠)
qad ʾaflaḥa man zakkāhā (9) wa-qad ḫāba man dassāhā (10)
„Wohl ergehen wird es ja jemandem, der sie läutert (d.h. alles befolgt und ausführt, was Allāh befohlen hat, indem er dem wahren Glauben des islamischen Monotheismus folgt und rechtschaffene gute Taten vollbringt), (9) und enttäuscht sein wird ja, wer sie verkümmern lässt (d.h. ungehorsam ist gegenüber dem, was Allah befohlen hat, indem er den wahren Glauben des islamischen Monotheismus ablehnt oder indem er dem Polytheismus folgt oder indem er jede Art von schlechten, bösen Taten verrichtet). (10)“
[Die Sonne (aš-Šams) 91:9-10]
…وَمَا ظَلَمَهُمُ ٱللَّهُ وَلَـٰكِنْ أَنفُسَهُمْ يَظْلِمُونَ (١١٧)
… wa-mā ẓalamahumu llāhu wa-lākin ʾanfusahum yaẓlimūna (117)
„… Allah hat ihnen kein Unrecht zugefügt, sondern sie selbst fügen sich Unrecht zu. (117)“
[Die Sippe ʿImrāns (Āl-i-ʿImrān) 3:117]
أَلَمْ يَأْتِهِمْ نَبَأُ ٱلَّذِينَ مِن قَبْلِهِمْ قَوْمِ نُوحٍ وَعَادٍ وَثَمُودَ وَقَوْمِ إِبْرَٲهِيمَ وَأَصْحَـٰبِ مَدْيَنَ وَٱلْمُؤْتَفِكَـٰتِۚ أَتَتْهُمْ رُسُلُهُم بِٱلْبَيِّنَـٰتِۖ فَمَا كَانَ ٱللَّهُ لِيَظْلِمَهُمْ وَلَـٰكِن كَانُوٓاْ أَنفُسَهُمْ يَظْلِمُونَ (٧٠)
ʾa-lam yaʾtihim nabaʾu llaḏīna min qablihim qawmi nūḥin wa-ʿādin wa-ṯamūda wa-qawmi ʾibrāhīma wa-ʾaṣḥābi madyana wa-l-muʾtafikāti ʾatathum rusuluhum bi-l-bayyināti fa-mā kāna llāhu li-yaẓlimahum wa-lākin kānū ʾanfusahum yaẓlimūna (9:70)
„Ist ihnen nicht die Geschichte derer zugetragen worden, die vor ihnen waren, des Volkes Nuhs (Noah), der ʿĀd und der Ṯamūd, des Volkes Ibrāhīms (Abraham), der Bewohner von Madyan (Midian) und der umgestürzten Städte (d.h. das Volk, dem Loot (Lot) predigte)? Ihre Gesandten kamen zu ihnen mit den klaren Beweisen. Nimmer ist es Allah, der ihnen Unrecht getan hat, sondern sie selbst haben sich Unrecht zugefügt. (70)“
[Die reuige Umkehr (at-Tauba) 9:70]
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Glaube, dass Allah der Schöpfer ist der alle Dinge bestimmt und die Gesegneten von den Verdammten unterschieden hat, bedeutet nicht, dass Allah seine Sklaven zwingt zu gehorchen oder nicht zu gehorchen. Vielmehr hat Er ihnen die Fähigkeit zu wählen und einen freien Willen gegeben, nach dem sie handeln und für den sie zur Rechenschaft gezogen werden. Ihr Herr tut Seinen Sklaven kein Unrecht.
Siehe auch die Antwort auf Frage Nr. 96989.
Und Allāh weiß es am besten.